Nr. 1 im Sommersemester 2002


Auslandsstudium für Informatiker

Edgar Seemann

Du hast dir vielleicht auch schon einmal überlegt, dass es ganz nett wäre ein Semester oder ein ganzes Jahr an einer Universität im Ausland zu verbringen. Doch wie packt man das an? Dieser Artikel soll dir einige Anhaltspunkte zur Organisation des Auslandsaufenthaltes geben und meine eigenen Erfahrungen wiedergeben.

1. Wohin soll‘s denn gehen?

Zunächst solltest du dir einmal Gedanken darüber machen, wo du hin willst. Soll es unbedingt ein englischsprachiges Land sein oder bist du auch für andere Länder offen. Ein größeres Hindernis bei dieser Auswahl ist zumeist die Sprache.

Ich selbst habe mir damals auch überlegt, ob mein Französisch ausreicht, um ein Studium in Paris zu absolvieren. Immerhin hatte ich seit der Schulzeit kein Wort französisch mehr gesprochen. Um nicht erst in Paris ins kalte Wasser springen zu müssen, habe ich mich deshalb für einen Intensivkurs beim Sprachenzentrum angemeldet. Das ist auf jedenfall zu empfehlen, man sollte allerdings auch die nötige Motivation für den Kurs mitbringen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass mein Französisch trotz Sprachkurs relativ dürftig war, aber man sollte deswegen nicht den Kopf hängen lassen.

2. Was gibt es für Möglichkeiten?

Steht das Land fest, solltest du dich informieren, wie du dort hin kommst. Gibt es Austauschprogramme? Kann man sich direkt bei Universitäten bewerben? Haben Professoren Kontakte? Etc.

Ich habe mich damals erst einmal auf der Webseite des Akademischen Auslandsamtes informiert. Diese finde ich zwar etwas unstrukturiert, aber man kann trotzdem einiges erfahren. So gibt es auf europäischer Ebene das Erasmus/Sokrates-Programm (Frankreich, Spanien, Schweden etc) und auf internationaler Ebene das Ba-Wü-Programm (USA, Kanada, Australien). Außerdem findet man auch die Ansprechpartner für diese Programme (Ba-Wü-Programm: Achim Niessen vom Auslandsamt, Sokrates/Erasmus: Lockemann, Calmet je nach Universität). Du solltest bei deiner Recherche auch den Bewerbungsschluss der Programme und der Universitäten beachten. Vor allem beim Ba-Wü-Programm ist dieser unglaublich früh (ca. 1 Jahr vor Studienbeginn). Man sollte sich also frühzeitig informieren.

Da ich mich schon für Frankreich entschieden hatte, beschloss ich Prof. Calmet einen kleinen Besuch abzustatten, um mich näher zu informieren. Gleichzeitig habe ich mich aber auch noch mit einem Physik-Professor (Prof. Engelhardt) in Verbindung gesetzt, da dieser für das DFHK (Deutsch-Französisches-Hochschul-Kolleg) zuständig ist und deshalb gute Kontakte zu französischen Universitäten hat. Um es kurz zu machen, ich habe dann entschieden mich bei 2 Universitäten in Paris zu bewerben: Der Ecole Polytechnique und am CNAM.

3. Wie bewerbe ich mich?

Verschiedene Universitäten und Programme erfordern unterschiedlich umfangreiche Bewerbungsunterlagen. Das kann richtig in Arbeit ausarten, aber da musst du durch ;-).

Meistens brauchst du:
  • einen Lebenslauf
  • ein Motivationsschreiben
  • ein oder mehrere Empfehlungsschreiben von Professoren
  • einen Sprachtest (z.B. TOEFL)
  • und natürlich eine Notenübersicht

Ich kann keine Tipps zu all diesen Punkten geben, denn das ist eine persönliche Sache. Doch noch kurz ein Wort zu den Empfehlungsschreiben.

Du kommst dir vielleicht ein wenig doof vor, einen Professor, mit dem du vielleicht vorher noch nie gesprochen hast, um ein Empfehlungsschreiben zu bitten. Aber du solltest dir darüber keine Gedanken machen. In Deutschland ist das aufgrund der großen Anzahl an Studenten nun mal so. Das wissen auch die Professoren. Ich bin damals einfach zu den Professoren gegangen, bei denen ich gute Noten hatte. Wenn Du einen Professor näher kennst, sei es aufgrund einer Hiwi-Tätigkeit oder nur so, ist das natürlich umso besser.

Deine Bewerbung solltest Du auf jedenfall vorher von einem „Native Speaker“ korrigieren lassen (vielleicht kennst du ja zufällig jemanden oder du fragst den Leiter eines Sprachkurses). Denn zu viele Fehler machen keinen guten Eindruck. Es muss aber auch nicht perfekt sein.

4.Juhuu ich bin genommen, was nun?

Wenn du schließlich an der Universität oder bei deinem Austauschprogramm akzeptiert bist, ist die Arbeit aber noch nicht vorbei. Du musst dich um eine Wohnung, Visum, Flug, Krankenversicherung etc. kümmern. Es wird dir also so schnell nicht langweilig.

Vor allem beim Visum solltest du schauen, dass du dich rechtzeitig darum kümmerst, denn die Konsulate können unter Umständen etwas länger dafür benötigen.

Die Krankenversicherung ist etwas weniger kritisch. Innerhalb Europas reicht es sich von der deutschen Krankenversicherung ein Formular namens E128 ausfüllen zu lassen. Für andere Länder ist es meist nötig eine spezielle Auslandskrankenversicherung abzuschließen.

Was eine Wohnung anbetrifft, solltest du nachfragen, ob du in einem Studentenwohnheim der Universität unterkommen kannst oder dir selbst etwas suchen musst. Beides hat sicher seine Vor- und Nachteile. Ich bin in Paris in einem Wohnheim der Universität untergekommen und habe dadurch schnell viele Leute kennen gelernt. Im Grossen und Ganzen fühle ich mich dort ziemlich wohl.

[Edgar vor der Uni]

5. Meine Erfahrungen an der Ecole Polytechnique

Die Ecole Polytechnique, an der ich nun studiere, gehört zu den angesehensten „Grandes Ecoles“ in Frankreich. Historisch gesehen ist sie eine Militär-Hochschule und sie untersteht auch heute noch dem Verteidigungsministerium.

Der Campus ist etwas süd-westlich von Paris gelegen (ca. 35 Minuten mit der Bahn ins Zentrum von Paris). In der Nähe befinden sich auch einige andere Pariser Universitäten, wie das Supelec oder die Université Paris XI. Die Gebäude sind zwar etwas im 70er Jahre Beton-Baustil gehalten, aber der Campus selbst ist richtig schön. Es gibt einen kleinen See und drum herum sehr viel grün. Ein beträchtlicher Teil der Grünflächen sind Sportanlagen. So gibt es mehrere Fussball- und Rugbyfelder und sogar einen kleinen Golfplatz. Allgemein ist das Sportangebot an der Uni hervorragend: Fechten, Reiten, Golf um einige der ungewöhnlicheren Sportarten zu nennen. Das liegt vor allem daran, dass Sport für die französischen Studenten verpflichtend ist. Ich spiele mittlerweile in der Fußballmannschaft der Polytechnique und das macht mir sehr großen Spaß. Unter anderem, da wir auch gegen andere Pariser Universitäten spielen.

Doch nun zum eigentlichen Studium. Die Ecole Polytechnique ist eine Ingenieursschule. Die Grenzen zwischen den einzelnen Disziplinen sind allerdings fließend. So machen einige französische Studenten z.B. ein Semester Physik und das nächste Informatik. Wir als Karlsruhe Vollblut-Informatiker sind den französischen Studenten deshalb in der Informatik stoffmäßig etwas voraus und es lässt sich deshalb nicht vermeiden einige Fächer zu hören, die man vielleicht schon in ähnlicher Form in Karlsruhe gehört hat. Das Niveau ist allerdings trotzdem nicht zu unterschätzen, da die Franzosen dort ziemlich gut sind.

Wie in Karlsruhe gibt es neben den eigentlichen Vorlesungen auch Übungen, die sich hier „Petite Classe“ nennen. Da es nicht so viele Studenten wie in Karlsruhe gibt, ist das ganze allerdings richtig familiär. Meiner Erfahrung nach sind die französischen Studenten sehr kontaktfreudig und ich hatte keine Probleme in kurzer Zeit viele Studenten in meinen Kursen kennen zu lernen. Ich verbringe aber trotzdem noch einen Großteil meiner Zeit mit den anderen internationalen Studenten aus Schweden, Italien, Portugal, Rumänien etc., mit welchen ich mich sehr gut verstehe.

Alles in allem bin ich mit dem bisherigen Verlauf meines Studiums zufrieden. Anfangs hatte ich zwar etwas Probleme mit der Sprache, aber mittlerweile klappt das ganz gut (ich habe sogar die mündlichen Prüfungen gut überstanden ;-)).

6. Fazit

Wie du gesehen hast, erfordert die Organisation eines Auslandsstudiums ziemlich viel Zeit und Energie. Du solltest folglich hartnäckig sein und dich vor allem rechtzeitig bewerben. Für Informatiker gibt es allerdings genügend Plätze in Austauschprogrammen. Also wenn du tatsächlich willst, dann wird es auch klappen.

Ich wünsche dir noch viel Erfolg mit deiner Bewerbung.

Gruß, Edgar Seemann

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