Eulenspiegel Nr.2 im Sommersemester 96

Hurra hurra! Die Bildungsgutscheine sind da !

Ralf Schwab

Revisionsdatum: Mai 1996

Nun ist es endlich soweit. Die von uns allen ersehnten Bildungsgutscheine stehen diesmal fest in der Koalitionsvereinbarung unserer neuen Landesregierung, und auf Zusicherung vom Ministerium hin brauchen wir auch nicht mehr lange auf sie warten. Bald werden wir für umsonst ganze 14 Semerster studieren dürfen (9 Regelstudienzeit + 1 Prüfungssemester + 4 Kulanzsemester). Und wenn das nicht reichen sollte, kann man für lediglich 1000 DM pro Semester mehr weiterstudieren. Aber das betrifft ja die wenigsten. Denn statistisch gesehen (zumindest auf die Informatik bezogen) beenden ja die meisten Studis ihr Studium knapp vor dem 14. Semester. Und die Schutzgebühren für die späteren Semester motivieren sogar noch dazu, schneller zu studieren und somit die Durchschnitts-Studienzeit zu senken.

Wir Studis finden die Idee von Bildungsgutscheinen so gut, daß der UStA ab sofort dabei hilft, die sogenannten "Bildungscards" einzuführen, einer kleinen Vorabversion der kommenden richtigen Bildungskarte, damit ihr euch schon mal etwas mit dem System vertraut machen könnt. Schließlich wird in Zukunft euer gesamtes Studium davon abhängen. Also behaltet die Karte, wenn ihr sie in die Hand gesteckt bekommt.

Aber nicht nur, daß die Studis in Zukunft teilweise umsonst studieren dürfen, die ganzen 1.000.000 DM, die unsere Uni dadurch zusätzlich einnimmt, bringt noch weitere Vorteile. Zum Einen werden Stellen geschaffen für die Verwaltung dieser Million und von den übrigen 500.000 (unter Abzug des Verwaltungsaufwands) können ja vielleicht sogar noch ein oder zwei der gerade 24 (knapp ein Drittes des Stellenbestands) durch das Ministerium gekürzten Stellen in der Informatik gerettet werden. Aber andererseits wäre das ja Verschwendung. Durch die Abschreckungsfunktion der Studiengebühren wird es ohnehin weniger Studis geben. Da ist es ja nur logisch, daß gekürzt wird (eventuell sogar ganze Institute, wie gerade in anderen Fakultäten). Und wenn es dann immernoch zu viele Studis für zu wenige Studienplätze gibt kann man ja vielleicht die Dauer der Diplomarbeiten verlängern, damit das Studienende gerade in die Phase hineinrutscht, zu der man kein BAFöG mehr bekommt und durch die Vollbelastung der Diplomarbeit auch nicht nebenher jobben kann. Dann kann man durch diese zusätzliche Last die ganzen Langzeitstudis zur Aufgabe des Studiums zwingen. Und falls das immer noch nicht reicht, kann man ja von 14 Semestern auf 13 runtergehen. Oder gar gleich auf 12. Schließlich sind die 4 Kulanzsemester ja nur Gnadensemester, die vom Ministerium spendiert werden; eine freiwillige Aktion unserer Landesregierung, die jederzeit eingestellt werden kann. Und falls die Unis immernoch zu wenig Geld für Forschung und Lehre haben, kann man ja langsam und schrittweise von 1.000 DM auf 10.000 DM übergehen. So gelingt es in einer langwierigen Aktion die kostenfressende Lehre endlich aus den Universitäten zu verbannen, so daß sich die Professoren ganz und gar auf die Forschung konzentrieren können. Für was braucht man schließlich Studenten, wo man doch heute genügend Wissenschaftler hat und die Bildung in Deutschland nur zweitrangig ist. Schliesslich steht ja auf jeder Stereoanlage und auf jedem Computer groß "Made in Germany". Unserer Wirtschaft geht es heute gut, was sollen wir uns um die Zukunft kümmern? Haben wir doch heute genügend Probleme damit, daß stängig die Preise steigen und die Gehälter sinken, daß die Generation vor uns nicht an die Zukunft gedacht und uns dadurch in eine Wirtschaftskrise gesteuert hat.

Fachschaft math/inf