Eulenspiegel Nr.1 im Sommersemester 96

Gibt es etwa nur noch Idioten ?

Gedanken zur LA-Klausur Frühjahr 1996

Jan Litsch

Revisionsdatum: Mai 1996

Voranstehenden Artikel schrieb ich vor fünf Jahren aus Anlaß der damaligen LA-Klausur. Nun haben wir mal wieder diese Situation: 80% Durchfallquote in einer eigentlich gar nicht so schweren Klausur. Bei dieser Klausur möchte ich nun versuchen, im Detail herauszufinden, woran es lag:
  • Aufgabe I.1: Die Aufgabe besteht in einer Anwendung des Untergruppenkriteriums in Verbindung mit einer Äquivalenzrelation. Viele Leute scheiterten hier daran, daß sie nicht wußten, was eine Äquivalenzrelation ist. Resultat: häufigste Punktzahl: 1 P. ; bester Teilnehmer der Mathematiker-Klausur: 2,5 P. ; genau ein Teilnehmer der Informatiker-Klausur war besser.
  • Aufgabe I.2: Die meistbearbeitete Aufgabe der Klausur (73 Informatiker + 30 Mathematiker). Gefragt sind die Definition der direkten Summe und eine Anwendung derselben. Mehr als die Hälfte der Klausurteilnehmer scheiterte jedoch schon bei der Definition. Resultat: häufigste Punktzahl: 0 P. ; seltenste Punktzahl: 4 P.
  • Aufgabe I.3: Eine eigentlich nicht sonderlich schwere Aufgabe über Projektionen, nicht unähnlich gewissen Übungsblatt-Aufgaben zum selben Thema. Aber das Resultat: häufigste Punktzahl: 0 P. ; bester Teilnehmer der Mathematiker-Klausur: 2,5 P.
  • Aufgabe I.4: Eine etwas umfangreichere Rechenaufgabe. Resultat aufgrund vieler Rechenfehler: häufigste Punktzahl: 0 P.
  • Aufgabe I.5: Eine Theorie-Aufgabe, die eigentlich ganz einfach ist, wenn man merkt, daß in der Voraussetzung (etwas umständlich formuliert) drin steht, daß es sich um eine obere Dreiecksmatrix handelt. Das hat aber keiner bemerkt, daher das Resultat: alle Bearbeitungen: 0 P.
  • Aufgabe I.6: Die Determinanten-Aufgabe dieser Klausur: im a)-Teil waren die Determinanten zweier Dreiecksmatrizen gesucht, im b)-Teil war zu zeigen, daß det(A(x)) ein Polynom ersten Grades in x ist (war mit einer, maximal zwei elementaren Umformungen möglich), der c)-Teil war eigentlich geschenkt, wenn man bemerkt hätte, daß ein Polynom ersten Grades gerade eine Geradengleichung ist, aber das war den Teilnehmern dieser Klausur leider nicht bekannt. Resultat: zweitbester Mathematiker = zweitbester Informatiker = 2,5 P.; 53% aller Bearbeitungen: 1 P. (der besonders leichte a)-Teil)
  • Aufgabe II.1: Die Jordan-Normalform-Aufgabe dieser Klausur: eigentlich sehr einfach, wenn man auf die Idee kommt, daß mit der diagonalisierbaren Matrix der Aufgabenstellung auch eine Diagonalmatrix gemeint sein könnte, aber diese Idee hatte nur ein einziger Klausurteilnehmer. Resultat: 64% aller Bearbeitungen: 0 P.; alle Klausurteilnehmer zusammen erreichten 40, alle Mathematiker zusammen 6 Punkte.
  • Aufgabe II.2: Eine einfache Rechenaufgabe: Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren und die Winkelformel für Skalarprodukte. Gesucht war der Cosinus eines Winkels. hnliches war auf den Übungsblättern geübt worden. Die meistbearbeitete Aufgabe im Teil II. Resultat: häufigste Punktzahl: 0,5 P.
  • Aufgabe II.3: Die Isometrie-Aufgabe dieser Klausur: ein Teil ein leichter Ein-Zeilen-Beweis und zwei Teile mit etwas Rechnung. Aber das Resultat: häufigste Punktzahl: 0 P. ; beste Bearbeitung 3 P.
  • Aufgabe II.4: Eine Geometrie-Aufgabe über affine Abbildungen. Resultat: 71% aller Bearbeitungen: 0 P. ; bester Mathematiker: 1,5 P.; zweitbester Mathematiker = zweitbester Informatiker = 1 P. ; alle Informatiker erreichten zusammen 7, alle Mathematiker zusammen 5 Punkte.
  • Aufgabe II.5: Eine Standard-Übungsblatt-Aufgabe über adjungierte Abbildungen. Resultat: 62,5% aller Bearbeitungen: 0 P.; beste Bearbeitung: 1,5 P. ; alle Bearbeitungen zusammen: 7 Punkte.
  • Aufgabe II.6: Eine Quadriken-Aufgabe über eine Quadrik, die im Skript abgebildet ist. Resultat: alle Bearbeitungen: 0 P.

Folgerungen:

  • Es lag nicht an der Klausur, daß die Durchfallquote so hoch war, es lag an den Klausurteilnehmern. Wer in eine LA-Klausur geht, ohne zu wissen, was eine direkte Summe oder eine Äquivalenzrelation ist, der fällt genauso sicher durch wie derjenige, der sich auf Rechenaufgaben verläßt und lauter Rechenfehler macht.
  • Wer sich anhand seines Skripts, seiner Übungsblätter und der alten Klausuren gewissenhaft vorbereitet, der sollte keine derartigen Probleme haben wie die Teilnehmer dieser Klausur.
  • Nichtbesuch der Vorlesung und zu knapp bemessene Vorbereitungszeit rächen sich doch !
Ein immer noch frustrierter Tutor. Fachschaft math/inf